KI-Reifegrad deutscher Unternehmen

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Deutsche Unternehmen nutzen unstrukturierte Daten zwar bereits in KI-Anwendungen, aber ihr wahres Potenzial für den Geschäftserfolg bleibt noch ungenutzt – was verständlich ist, denn neben diesen Chancen müssen auch zahlreiche Risiken berücksichtigt werden.

Jill Shoup
Jill Shoup
Innovation Research Director
23. Oktober 202512  Min.
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Einführung

Künstliche Intelligenz (KI) gibt Unternehmen ganz neue Möglichkeiten, mithilfe von unstrukturierten Daten – Bildern, Texten, Videos und Social-Media-Content – Innovationen voranzutreiben, effizienter zu arbeiten und einen Wettbewerbsvorteil zu erreichen. Da sich die KI in einem unglaublichen Tempo weiterentwickelt, müssen die Prozesse anpassbar sein, damit die Compliance sichergestellt werden kann und zuverlässige Analysen möglich sind.

Deutsche Unternehmen nutzen unstrukturierte Daten zwar bereits in KI-Anwendungen, aber ihr wahres Potenzial für den Geschäftserfolg bleibt noch ungenutzt – was verständlich ist, denn neben diesen Chancen müssen auch zahlreiche Risiken berücksichtigt werden. Damit ein Unternehmen seine Strategie optimieren und wettbewerbsfähig wachsen kann, muss es wissen, wie es im Vergleich zu den aktuellen Trends aufgestellt ist. In unserer Übersicht sehen wir uns den derzeitigen Zustand in deutschen Unternehmen an und finden heraus, wie sie künstliche Intelligenz und unstrukturierte Daten einsetzen.

Unsere Ergebnisse basieren auf Studien von Iron Mountain und der unabhängigen Marktforschungsfirma Vanson Bourne. Dafür wurden 200 Entscheidungsträger:innen aus Deutschland befragt, die aus dem IT- und Datenbereich stammen und die KI-Strategie ihres Unternehmens kennen oder aktiv daran beteiligt sind. Den gesamten Bericht können Sie hier lesen.

Graphic presentation of AI maturity Germany

Aktuelle Akzeptanz der KI

Unternehmen in Deutschland gehen den Einsatz von KI sehr unterschiedlich an, und der Reifegrad unterscheidet sich von anderen europäischen Märkten. Der Grund dafür mag der allgemein späte Rollout von KI-Initiativen im Land sein, weshalb sich viele Unternehmen noch immer in der Lern- und Einführungsphase befinden und erst herausfinden müssen, was für sie am besten passt. Die ersten KI-Initiativen in Deutschland begannen – ähnlich wie in anderen europäischen Ländern – im Jahr 2018, doch nur wenige führten damals bereits KI-Lösungen ein. Erst 2020 rückte die künstliche Intelligenz erneut in den Fokus und wurde breiter akzeptiert und zielgerichtet implementiert. Diese zwei Jahre machen einen großen Unterschied: Die Early Adopters sind bereits weit gekommen, die anderen jedoch noch immer im Rückstand (siehe Abb. 1).

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Dieses ungleiche Tempo bei der KI-Einführung führt dazu, dass deutsche Unternehmen heute unterschiedlich gut vorbereitet sind, insbesondere in Bezug auf grundlegende Elemente wie Datenmanagement und strategische Ausrichtung. Einige Unternehmen schreiten rasch voran, andere jedoch entwickeln erst noch die Infrastruktur und die erforderlichen Prozesse für erste Initiativen. Unabhängig vom Fortschritt bestehen oft erhebliche Lücken bei Datenaufbereitung und Strategieentwicklung, was eine effektive Skalierung einschränken kann.

Im Vergleich zum weltweiten Durchschnitt haben weniger Unternehmen in Deutschland Maßnahmen festgelegt, um die KI-Einführung zu beschleunigen. Nur 38 % sind sich bewusst, dass sie relevante, hochwertige Daten für KI-Training und -Analyse benötigen (im Vergleich zu 48 % der Unternehmen weltweit). Nur 33 % möchten ihre unstrukturierten Daten für das KI-Modelltraining und für KI-Anwendungen aufbereiten (im Vergleich zu 43 % weltweit). Und nur 39 % entwickeln eine klare Vision, Strategie oder Richtung für KI-Initiativen (im Vergleich zu 47 % weltweit). Möglicherweise führt genau diese geringere Gewichtung einer grundlegenden Readiness zu den Inkonsistenzen im Land. Darüber hinaus spiegelt sich die Diskrepanz auch im Fortschritt der KI-Strategien und -Einführung wieder. Etwa ein Viertel der deutschen Unternehmen (23 %) befinden sich erst in der Anfangsphase der Definition (8 %) bzw. Umsetzung (15 %) einer KI-Strategie.


Doch nicht allen Unternehmen fehlt es noch an einer KI-Strategie.
Ein ähnlich großer Anteil wie im globalen Durchschnitt (Deutschland 24 %, global 25 %) hat bereits eine Strategie entwickelt und unternehmensweit implementiert. Die Unterschiede in der KI-Entwicklung liegen vermutlich an einer Kombination vieler externer Faktoren, unter anderem an Führung und Umsetzung, die nicht miteinander in Einklang gebracht wurden, fehlendem Fachwissen oder zunehmender Vorsicht wegen strenger Gesetze und Vorschriften. Unternehmen mit den passenden Fachkräften konnten ihren KI-Reifegrad bereits steigern, während diejenigen ohne Expertise Schwierigkeiten haben, die nächsten Schritte anzugehen.

In Deutschland besteht auch Bedarf an umfassenderen Leitlinien. Beim derzeitigen Stand der Vorbereitungen und Strategien laufen viele deutsche Unternehmen Gefahr, im globalen Wettlauf abgehängt zu werden. Ohne Investitionen in grundlegende Elemente wie KI-Training, Datenaufbereitung und eine klare Strategie kann es schwierig werden, KI-Initiativen zu skalieren oder das volle Potenzial einer KI-gesteuerten Transformation auszuschöpfen. Diese Lücken wird Deutschland schließen müssen, um die Vorteile der KI in allen Branchen besser nutzen zu können.

Unternehmen in Deutschland setzen KI weniger für den Kundendienst ein als der globale Durchschnitt. Das Gleiche gilt für die Bereiche Marketing, Personalwesen, Vertrieb und Kundenkontakt (siehe Abb. 2).

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Der Kundenkontakt hat jedoch weiterhin hohe Priorität: 97 % der deutschen Befragten sagten, dass ihr Unternehmen KI-gestützte Agenten nutzt, um die Prozesse und das Kundenerlebnis zu optimieren. Die direkte Anwendung von KI im Servicebereich ist also gering, aber sie spielt eine Rolle bei der Verbesserung der Interaktion mit Kund:innen. Dass die Unternehmen zögern, künstliche Intelligenz breiter im Kundenkontakt einzusetzen, liegt möglicherweise auch daran, dass das Vertrauen der Menschen schnell beschädigt werden kann, wenn die strengen Datenschutzrichtlinien nicht eingehalten werden.

Stattdessen legen deutsche Unternehmen ihren Fokus vor allem auf IT und Sicherheit (in Deutschland 86 %, im globalen Durchschnitt 82 %) sowie auf Forschung und Entwicklung (in Deutschland 56 %, im globalen Durchschnitt 53 %). Backend-Prozesse werden in der Strategie also stärker berücksichtigt als Anwendungen im Kundenkontakt.

Dieser Ansatz könnte jedoch gleichzeitig die Lösung dafür sein, die Kundenkontaktpunkte nicht zu übersehen. Indem Organisationen ihr Augenmerk sowohl auf den Einsatz von KI zur Steigerung der betrieblichen Effizienz als auch für die Kundenbindung richten, können sie zusätzlichen Nutzen erschließen und einen ganzheitlichen Ansatz für den Erfolg mit KI verfolgen.

Fast zwei Drittel (63 %) der deutschen Unternehmen nutzen KI, um ihre Kosten zu senken, indem sie ihr Aufgaben übertragen, die nicht direkt Umsatz generieren. Sie sind jedoch deutlich seltener der Überzeugung, dass die KI vor allem dabei helfen kann, den Betrieb zu optimieren (29 % im Vergleich zu 47 %) oder Prozesse zu automatisieren (39 % im Vergleich zu 57 %).

Diese Diskrepanz wirft die Frage auf: Glauben deutsche Unternehmen, einen höheren KI-Reifegrad erreicht zu haben, als es tatsächlich der Fall ist? Konzentrieren sie sich bereits auf komplexe Anwendungsfälle, statt erst einmal Quick Wins mitzunehmen, die ihren KI-Erfolg beschleunigen könnten? Durch eine Neuausrichtung ihrer Prioritäten könnte potenziell ein besser abgestimmter, wirkungsvollerer Ansatz für die KI-Implementierung gefunden werden.

Wenn Sie sich die Daten hinter dieser Umfrage genauer ansehen möchten und sich fragen, wo Deutschland im Vergleich zu anderen Ländern steht, können Sie hier unseren Artikel lesen.